„Tue Gutes und sprich darüber“ – Understatement ist out!

FRAUEN IM EINKAUF: Brauchen Frauen eine „psychologische Rundumerneuerung“, wenn sie in der Männerdomäne Einkauf Karriere machen (wollen)? Wer traut sich, über die eigenen guten Leistungen zu reden? BIP hat mit Heike Fastenau-Gross, Sibylle May und Jessika Jung drei praxiserprobte Frauen unter anderem zu Mindset und Kompetenzen sowie zur speziellen Rolle bei Verhandlungen befragt.

Frau Fastenau-Gross, Sie haben im vergangenen Jahr beim BME-Symposium an der Diskussion „Frauen im Einkauf“ teilgenommen. Was war Ihre Botschaft?

Heike Fastenau-Gross: Wir haben über unseren persön-
lichen Weg in den Einkauf, über Lernkurven und Konse-
quenzen diskutiert und waren uns einig: Es braucht
Karrieretipps und Support für Frauen. Ich betone, dass ich
keineswegs auf die übliche Genderdiskussion oder die
Notwendigkeit von Frauenquoten usw. reduziert werden DMK Deutsches Milchkontor GmbH, Bremen möchte, das wäre zu leicht. Rückblickend betrachtet wäre ich auf einige Herausforderungen gern besser vorbereitet worden. Damit meine ich etwa Möglichkeit des Mentorings oder Coachings. 

Haben auch Männer zugehört?

Ja, und manche haben ihr Feedback direkt im Nachgang rin. Die Teilnehmerinnen sind eigenmotiviert. mit uns geteilt. Schmunzeln musste ich über meine Einkaufsleiterkollegen, die spontan sagten: „Heike, das war uns gar nicht so bewusst.“

Kritische Verhandlungen: Wie gehen Sie vor und wie kann die Rolle der Frau aussehen?

Spontan fällt mir dazu ein: Ich hatte vor Jahren einen tol- len Vorgesetzten, der die „römische Eröffnung“ liebte. Er hat es einmal geschafft, den Lieferantentross nach 15 Mi- nuten unseres Hauses zu verweisen – wegen Nichtigkei- ten. Gelöst haben das dann der weibliche Counterpart des Lieferanten und ich im Nachgang. Verhandlungen sollte man immer zielorientiert angehen – mit Wertschätzung und Wertbeitrag für beide Seiten. Voraussetzungen für eine Verhandlung sind klare Rollenverteilung im Vorfeld, Break in kritischen Situationen, klare Zielvorstellung und alternative Optionen.

Gehaltsunterschiede: Ihre Anregungen?

Transparenz durch Benchmarks sollte selbstverständlich werden. Über Jahre hinweg habe ich eine Gehaltsmatrix mit Kriterien und Ausprägungen entwickelt. So kann ich mir sicher sein, dass innerhalb unseres Einkaufsteams der Midpoint pro Funktion definiert ist und die maximale Spreizung im Rahmen von 80 bis 120 Prozent liegt. Die Führungskraft sollte immer gemeinsam mit dem HR-Business-Partner den Abgleich mit dem Markt prüfen. Aber: Ich erwarte auch eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Gehalt.

Frau May, Sie beleuchten in der BME-Masterclass die Rolle von Frauen im Einkauf. Wer nimmt teil? 

Sibylle May: Vertreten sind alle Altersklassen aus unterschiedlichen Branchen – von Einkäuferin bis Einkaufsleiterin. Die Teilnehmerinnen sind eigenmotiviert. 

Welche Erkenntnisse haben Sie in Ihren Projekten Projekten gewonnen?

Ich sehe meist ehrgeizige Frauen, denen es aber nicht selten an Selbstbewusstsein mangelt. Sie nehmen Tipps dankbar an, speziell in Sachen Auftreten, Kommunikationstechniken, Körpersprache, Taktiken. Es geht auch darum, sich in der Praxis nicht von Männern in die Enge treiben zu lassen. 

Welche Rolle kann beziehungsweise sollte eine Frau in Verhandlungen spielen?

Die Einkäuferin muss wissen, worüber sie spricht. Sie verhandelt den Bereich „kaufmännisch“. Es gilt, die gleiche Position zu vertreten wie der Mann auch. Gefordert ist Durch- setzungsvermögen. Ich betone aber: Jemand, der sich rasch verunsichern lässt und der nicht gern mit Menschen umgeht, sollte eher am Schreibtisch bleiben, was aber nicht heißt, dass hier ein schlechter Job gemacht wird.

Wie erreicht „frau“ die Geschäftsleitung beziehungsweise die Vorgesetzten?

Einkäuferinnen meinen häufig, dass der Chef ihre fachlichen Qualitäten schon sehen wird. Frauen müssen aber

lernen zu sagen, was sie leisten. Tue Gutes und sprich darüber. Es gilt ja auch, sich gegen Kollegen durchzusetzen, die gern auftrumpfen. Ich empfehle, beharrlich nachzufragen und auch mal „lästig“ zu sein. Falls nach Gesprächen über Möglichkeiten die Einsicht ausbleibt, kann man durchaus einen anderen Arbeitgeber suchen. Vorgesetzten sage ich auch: Viele meiner Kunden berichten, dass Frauen das Ganze auflockern.

Frauen sind nicht per se bessere Führungskräfte. Was vermitteln Sie im Coaching?

Zunächst sind die Grundlagen zu besprechen. Weiß sie, was auf sie zukommt? Will sie das wirklich? Ich zeige Beispiele auf, auch die negativen Seiten. Meine Klientinnen sollen selbst erkennen, wo sie stehen und woran sie noch arbeiten müssen. Mein Rat: Im Business geht es nicht ums Gernhaben. Greift ein Mann uns an, meint er selten uns persönlich.

Frau Jung, worin liegt der Unterschied beim Coaching von Frauen und Männern?

Jessika Jung: Frauen sind meist reflektierter und machen sich Gedanken, wie sie sich verändern können. Sie gönnen sich ein Coaching, um Unterstützung zu erhalten. Männer sind dabei in der Minderheit. Für sie ist es oft schwer, überhaupt zu benennen oder zu fühlen, wo der Schuh drückt. Sie sind mehr im Außen unterwegs, statt sich voll und ganz auf sich und die eigenen Bedürfnisse, Sorgen und Limitierungen zu fokussieren. Für viele Männer ist Coaching das Eingeständnis von Schwäche. Generell gilt: Werden Coachees vom Chef geschickt, kann es schwierig werden; viele erachten dann die Maßnahme für sich als überflüssig. Aber wenn sie etwas bewirken soll, sind Offenheit, Neugierde und Veränderungswillen nötig.

Wie sehen Sie die Rolle der Frau bei Verhandlungen?

Frauen geht es weniger darum zu zeigen, wer am Tisch den längsten Atem hat. Ihnen ist es wichtig, Zusammenhänge, Argumente und Beweggründe zu verstehen. Frauen können eher tragfähige und langfristige Partnerschaften mit Lieferanten eingehen, die auch in Krisenzeiten belastbar sind.

Warum wollten Sie dieses Thema auch psychologisch angehen?

Ich wollte den Menschen hinter seiner Position besser verstehen – meine Mitarbeitenden und auch Manager, die manchmal wie Kinder agieren.

Die Interviews führte Sabine Ursel, Fachjournalistin
Quelle: BIP – Best in Procurement (BME e.V.), Autorin: Sabine Ursel (Wiesbaden)